Die Evangelische Kirche im 3. Reich
Ein Grossteil der evangelischen Pfarrer vertrat die Auffassung des Theologen
Walter Künneth aus dem Jahre 1931, der
zur völkischen Idee, einer sozialen Neugestaltung und seinem Willen zum
Christentum des Nationalsozialismus, sagte, aber die Rasenlehre, die
Kulturvorstellung und die politische Praxis völlig ablehnte. Die Auswüchse des
politischen Kampfes in der Zeit vor 1933 und in den Jahren danach, führten
jedoch dazu, das das bürgerlich-konservative Deutschland sich veranlasst sah
die Brutalität auf den Strassen, die aggressive Propaganda und die Rassenhetze
als Begleiterscheinung einer "guten" Sache sah, einer Bewegung mitten
im harten politischen Kampf. Dabei stellte sich natürlich die Frage, ob man
sich als Kirche nicht hinter die neue Bewegung stellen sollte, die letztlich
eine nationale Wiedergeburt, den Kampf gegen den Marxismus und die geistige
und gesellschaftliche Erneuerung verinnerlichte. Das dabei auch die Jugend
Deutschlands fast vollständig hinter dieser Idee stand unterstützte dies.
Die NSDAP bekannte sich in ihrem Programm zum "positiven Christentum",
wobei offen bleibt was damit gemeint ist. Außerdem trennte sich Hitler 1927
vom damaligen Thüringer Gauleiter Dr. Alfred Dinter, der eine Veränderung des
Christentums im Hinblick auf die Arisierung anstrebte. Ebenso nahmen
uniformierte SA-Einheiten an Gottesdiensten teil. Dadurch entstand der
Eindruck die NSDAP würde sich den Kirchen zuwenden, worauf diese positiv
reagierten, aber dennoch hielten ältere Pfarrer eine gewisse Distanz ein.
Jüngere Pfarrer und Theologiestudenten dagegen strömten in Scharen zur NSDAP.
Dort gab es ab 1932 eine Kirchenorganisation der Partei unter der Führung des
damaligen 31jährigen Pfarrers Joachim Hossenfelder, der sich selbst als die "SA
Jesu Christi" verstand. Im Rahmen der Glaubensbewegung "Deutsche
Christen" (DC) versuchte dieser Einzug in die Kirchen zu halten. So
stellte sich bereits 1932 ein erster Erfolg, ähnlich wie bei der NSDAP, bei
den preußischen Kirchenwahlen ein. Den "DC`s" gelang vor allem die
Wähler zu mobilisieren, die bisher nicht an solchen Wahlen teilgenommen hatten
und verbuchten so rund 1/3 aller Sitze in den Gemeindekörperschaften für sich.
Dennoch kann man hier nicht von einer Eroberung der Kirchen sprechen, so
hatten die "Deutschen Christen" bis zum Frühjahr 1933 in vielen
Landeskirchen keinen Fuß fassen können.
Zur selben Zeit entbrannte der protestantische Kirchenkampf, der zwar
inhaltlich beschränkt blieb, aber unter dem totalitären Regime zum Politikum
avancierte und sich zum Störfaktor entwickelte. Viele Protestanten standen der
neuen Idee der Partei nicht ablehnend gegenüber und die Aufteilung der Kirche
in 28 Landeskirchen begünstigte die Machteroberung und Gleichschaltung eher.
Man lockte mit einer Reichskirche, ähnlich wie die Gewerkschaften mit einer
Einheitsgewerkschaft. So ernannt Hitler am 23.04.1933 den Königsberger
Wehrkreispfarrer Ludwig Müller zu einem Beauftragten für alle Fragen der
evangelischen Kirche mit der besonderen Aufgabe, alle Tendenzen zur Schaffung
einer evangelischen deutschen Reichskirche zu fördern. Müller galt als einer
der gemäßigteren Anhänger Hitlers Partei, wodurch Hossenfelder das Nachsehen
hatte. Dennoch unterstützten auch die "Deutschen Christen" Müller, auch
nachdem er selbst das neu zu schaffende Amt des evangelischen Reichsbischoffs
anstrebte.
In einer Kampfabstimmung Ende Mia 1933 entschieden sich die Landeskirchen
jedoch gegen Müller und für Friedrich von Bodelschwingh aus Bethel, um damit
die Unabhängigkeit der Kirche vom Staat zu demonstrieren.
Einhergehend mit der Gleichschaltung artikulierten sich die zersplitterten
Kräfte der Opposition deutlicher. So kritisiert Karl Barth im Sommer 1933 in
seiner Schrift "Theologische Existenz heute" die politisch inspirierte
Kirchenreform. Im September 1933 verbreitete der Pfarrer Martin Niemöller,
selbst hochdekorierter U-Boot-Kommandant im 1. Weltkrieg und zunächst selbst
Anhänger der neuen Idee, 16 Thesen unter seinen Kollegen, mit deutlicher
Wendung gegen die "Deutschen Christen". So forderte er alle
Pfarrer auf, sich zu einem Notbund zusammenzuschließen, der sich allein an die
Heilige Schrift und der Reformation orientierte. Der Notbund lehnte den
Arierparagraphen im Kirchengesetz rigoros ab und sorgte so dafür schnell im
politischen Mittelpunkt der Kirchenpolitik zu stehen. Erstmals erhob der
Notbund seine Stimme für die Verfolgten und für ein freies evangelisches
Bekenntnis, anlässlich der Nationalsynode in Wittenberg, unter dem Einfluss
der "Deutschen Christen" am 27.09.1933. Zu jener Zeit waren dem Bund
gerade mal 2.000 Pfarrer beigetreten, doch schon im Januar 1934 gehörten ihm
über 7.000 Pfarrer an, was dafür sorgte, das die "Deutschen Christen"
an Zugkraft und Einfluss verloren. Als dann anlässlich einer Kundgebung im
Berliner Sportpalast im November 1933 der deutschchristliche Hauptredner die
Abschaffung des Alten Testaments, die Aufhebung der jüdischen Theologie des
Paulus und ein Bekenntnis zur arischen Heldengestalt Jesu forderte, waren die
völkischen Religionsreformer zu weit gegangen. Die Basis kehrte sich ab und
die Organisation zerbrach langsam. Somit sahen sich nun der Reichsbischof und
die deutschchristliche Kirchenleitung, die ihr Amt zwar behauptet hatten,
dafür aber die Anhängerschaft verloren, dem Pfarrernotbund und einer
wachsenden Zahl von Gemeindemitgliedern gegenüber, die sich auf die
theologischen Grundlagen der Kirche konzentrierten. Die Folge dieser
Gegnerstellung war der so genannte "Maulkorberlass" vom 04.01.1934 der
jegliche kirchenpolitische Stellungnahme von der Kanzel verbot.
Eine Verschärfung trat ein, als der Reichsbischof im Frühjahr und Sommer 1934
mit dem preuß. Kirchenkommissar, als "Rechtswalter", die
Gleichschaltung der Landeskirchen mit der Reichskirche zu erzwingen suchte.
Dies gelang ihm nur dort, wo er sich auf deutschchristliche Mehrheiten stützen
konnte, wie in Bayern, Württemberg und in Teilen von Hannover. Wo allerdings
die rechtmäßigen Bischöfe im Amt geblieben waren, stieß dieses Vorhaben auf
Widerstand. Im Zuge dieser Auseinandersetzung versammelten sich die "Vertreter
lutherischer, reformierter und unierter Kirchen, freier Synoden, Kirchentage
und Gemeindekreise" zur ersten Reichsbekenntnissynode im Mai 1934 in
Barmen. Diese und die später in Berlin stattfindende Synode stellen den
Höhepunkt des Protestes der Bekennenden Kirche gegen Gleichschaltung und
Verfolgung dar. Mit dem Barmer Bekenntnis, das sich auf die Grundsätze des
Evangeliums stützte, schuf sich die Bekennende Kirche ihr theologisches
Fundament. Mit dem Berliner Treffen kündigten die so genannten "Barmer"
dann der deutschchristlichen Kirchenleitung den Gehorsam auf. Kurze Zeit
später brach die Kirchenpolitik Müllers zusammen. Hitler war nun der ständigen
Streitigkeiten müde und rehabilitierte in aller Öffentlichkeit die drei
renitenten Kirchenführer Bischof Wurm, Meiser und Marahrens aus Württemberg,
Bayern und Hannover. Es entstand also der Eindruck als habe die Bekennende
Kirche einen Sieg davon getragen, doch stellte die Rehabilitierung der
Bischöfe nur eine Atempause dar.