die Geschichte des Krieges ist reich an militärischen
Unternehmungen, die von selbstherrlichen Heerführern angeordnet wurden, am
Ende keinen Nutzen brachten und die Ausführenden der jeweiligen Befehle von
vornherein zu Todeskandidaten stempelten, in der jüngeren Vergangenheit
geschah dies während der letzten Weltkriege nicht nur auf deutscher Seite,
sondern auch auf jener ihrer ehemaligen Gegner, hierzu gehört als beredtes
Beispiel - wenn auch in kleinerem Rahmen - der nachfolgend geschilderte
Vorstoß eines US-Verbandes zum Lager Hammelburg, um dort - sechs Wochen vor
Kriegsende alliierte Gefangene zu befreien, ersonnen und befohlen hatte die
waghalsige Aktion der amerikanische General George S.
Patton
im März 1945 trat der II.
Weltkrieg in Europa in seine letzte Phase, seit Ende
Februar standen die sowjetrussischen Landstreitkräfte an der Oder und
bereiteten sich auf die Einnahme der Reichshauptstadt Berlin vor, im Westen
überschritt die 3. US-Armee unter Führung des bekanntesten amerikanischen
Panzergenerals, George Patton, am 22. März bei Oppenheim den Rhein, die 7. US-Armee
sollte ihr am 26. März bei Worms folgen, Patton, auch als "amerikanischer Guderian"
bezeichnet, stieß mit zwei Divisionen aus dem Brückenkopf bei Oppenheim sofort
weiter nach Westen vor und stand bereits nach zwei Tagen vor Aschaffenburg am
Main, wobei es der 4. US-Panzerdivision gelang, eine Mainbrücke unbeschädigt
in ihre Hand zu bekommen, die weitere Absicht der 3. US-Armee war es, nun
weiter nach Norden vorzustoßen, um Frankfurt zu nehmen, die raschen Erfolge
der US-Streitkräfte an der Oberrheinfront beruhten nicht zuletzt auf der Lage,
in der sich die ihnen dort gegenüberstehenden deutschen Kräfte befanden, die
7. deutsche Armee der Heeresgruppe B besaß praktisch keine Panzer oder
sonstigen Kettenfahrzeuge mehr, eine Unterstützung durch die Luftwaffe fand
nicht mehr statt, seit Beginn des Monats waren 75 % der Infanterie, die ohne
Gefechtsfahrzeuge und mit nur geringer Artillerieunterstützung gegen einen
voll mechanisierten Gegner kämpfen musste, ausgefallen, nennenswerter Ersatz
stand nicht mehr zur Verfügung, die Reste der ehemals 20 Divisionen im Raum
Odenwald-Spessart, insgesamt etwa noch 4000 Mann (!), konnten in der Front je
laufenden Kilometer theoretisch noch eine halbe Kompanie einsetzen
diese nahezu hoffnungslose Situation war den Amerikanern
natürlich nicht verborgen geblieben, dennoch ließen sie weitere
Vorsichtsmaßregeln nicht außer acht, um den eigentlichen Hauptstoß nach Norden
auf Frankfurt zu verschleiern, beschloss Generalmajor
Patton zunächst einen raschen Vorstoß nach Osten, hierbei gedachte der
oft eigenwillige, zu spektakulären Handlungen neigende Troupier, zwei Fliegen
mit einer Klappe zu schlagen, ihm war bekannt, daß sich in Hammelburg u. a.
ein Kriegsgefangenenlager (OFLAG XIII B) mit teilweise prominenten alliierten
Offizieren, darunter auch sowjetischen, befand, diese durch eine blitzartige
Operation vorzeitig zu befreien, war so recht nach seinem Geschmack, zu diesem
Zweck erhielt das 10. mechanisierte Infanteriebataillon am 25. März den Auftrag, sich auf einen
Spezialeinsatz vorzubereiten
da das Bataillon seit fünf Tagen in ununterbrochenem
Einsatz stand, galt es nach amerikanischen Maßstäben eigentlich als
abgekämpft, dennoch erteilte der Draufgänger Patton
am 26. März dem US-Captain
Baum den Befehl, mit einer gepanzerten Eingreiftruppe (Task Force) nach
Hammelburg vorzustoßen und die gefangenen alliierten Offiziere zu befreien, es
wurden dort insgesamt ca. 300 Gefangene vermutet, die Task Force (TF) erhielt
eine Stärke von 294 Mann und 53 Fahrzeugen, sie setzte sich aus mechanisierter
Infanterie, Panzern und Artillerie auf Selbstfahrlafetten zusammen, die
Infanterie besaß gepanzerte, mit überschweren Maschinengewehren bestückte
Halbkettenfahrzeuge (Halftrack), die Panzer waren 9 "Shermans" (M4)
und 6 "Stuart" (M5A1), beide Panzertypen hatten einen Fahrbereich
von 160 km im Gelände oder 300 km auf Straßen bei einer Höchstgeschwindigkeit
von 36 km/h, an 10,5-cm-Panzerhaubitzen waren der TF zehn Stück zugeteilt
worden
mit dieser Streitmacht trat Captain
Baum am 26. März den Raid nach Osten an,
um ihm den Einbruch in die deutschen Linien zu erleichtern, hatte zuvor eine
Kampfgruppe der 4. US-Panzerdivision den Ort Schweinheim südlich von
Aschaffenburg angegriffen. - die schwachen deutschen Kräfte, zu einem
erheblichen Teil "Volkssturm" sowie der
ROB-Lehrgang
27/28 des Grenadierersatz- und Ausbildungsbataillon 106, leisteten dabei mit Panzerfäusten so
hartnäckigen Widerstand, daß die Amerikaner der Stadt Aschaffenburg damals die
Bezeichnung "Bazooka City" (nach der amerikanischen Panzerfaust) gaben
um Mitternacht durchbrach die TF bei Schweinheim die dünnen
deutschen Linien, am 27. März, gegen 4 Uhr
morgens, fuhren die nördlichen Teile der TF in geringer Entfernung am
Hauptquartier der 7. deutschen Armee in Heigenbrücken vorbei, die Dunkelheit
verhinderte das klare Erkennen der gegenseitigen Lage, eine halbe Stunde
später hemmte eine besetzte Straßensperre den weiteren Vormarsch, bei dem
kurzen Gefecht wurde der erste "Sherman" durch eine Panzerfaust
abgeschossen, die Amerikaner hatten auch ihren ersten Toten, es ging weiter
nach Lohr am Main
inzwischen hatte die 7. deutsche Armee Aufklärung gegen den
tief eingedrungenen US-Verband angesetzt, die Verteidigung der Saale-Brücke in
Gemünden befohlen, deren Sprengung vorbereiten lassen und Verbindung mit der
Kommandantur des Truppenübungsplatzes Hammelburg aufgenommen, dieser wurde
Unterstützung durch eine Panzerjägerabteilung zugesagt
gegen 8.00 Uhr erreichten die Amerikaner Gemünden, dieser
Eisenbahnknotenpunkt wurde unter Feuer genommen, nachdem die Panzer die Saale-Brücke überquert hatten, ging diese in die Luft, aus der Schlossruine
und anderen Gebäuden eröffneten die Verteidiger das Feuer mit Panzerfäusten
und Handfeuerwaffen, ein weiterer "Sherman" wurde abgeschossen, 2 tote
und 18 verwundete Amerikaner blieben zurück, zwischen 12 und 13 Uhr wurde
Gräfendorf erreicht, wo 700 russische Kriegsgefangene auf freien Fuß gesetzt
wurden - was diesen in der gegebenen Lage aber wenig nützte
die deutsche Panzerjägerabteilung hatte inzwischen eine
Stellung zwischen Hammelburg und Diebach bezogen, sie
verfügte nur noch über 9 Panzerjäger "Hetzer", die mit ihren
7,5-cm-Kanonen den US-Panzern ebenbürtig waren, jedoch nur dann, wenn der
Kampf aus teilgedeckten oder versteckten Stellungen geführt werden konnte
gegen 16 Uhr kam der US-Panzerverband in Sicht, ein Panzer
M5A1wurde abgeschossen, die deutsche Abteilung verlor ebenfalls ein
Kampffahrzeug, Captain Baum band die "Hetzer"
mit seinen "Shermans" und bekämpfte deren Trossfahrzeuge mit
Artillerie, die US-Infanterie ging mit den restlichen
M5A1-Panzern in Richtung
Lager Hammelburg weiter vor
Hauptmann Köhl, Führer der "Hetzer"-Abteilung,
bekämpfte aus einer neuen Stellung den US-Verband, seine Männer vernichteten
zwei weitere "Shermans", fünf Halftrucks und zwei Jeeps
Hammelburg, seit den Zeiten der königlich-bayerischen Armee
ein Truppenübungsplatz, war auch im 6. Kriegsjahr noch mit einigen
Truppenteilen belegt, der Kommandant, Oberst Hoppe,
hatte die verschiedenen Einheiten geschlossen seinem Kommando unterstellt, es
handelte sich dabei im wesentlichen um einen Scharfschützenlehrgang von 50 bis
80 Soldaten unter Leitung eines Oberst Messtmacher,
ca. 100 Mann der Pionierschule Berlin, geführt von Major
Diepenbeck, und einen Lehrgang von etwa 80 Offiziersanwärtern unter
Hauptmann
Gehrig, dazu
kamen ein kleiner Stab von Oberst Hoppe und zwei
Vierlings-Fla-Geschütze
die Panzerjäger des Hauptmanns Köhl
mussten sich gegen 19 Uhr zurückziehen, um aufzumunitionieren und
nachzutanken, diese Situation nutzte Captain Baum
zur Fortsetzung des Angriffs, die amerikanische Angriffsgruppe erreichte im
Schutze ihrer zehn Panzer das Lager Harnmelburg, die deutsche Gegenwehr,
lediglich mit Handfeuerwaffen und Panzerfäusten ausgerüstet, war nicht in der
Lage, das zu verhindern, Captain Baum hatte sein
Angriffsziel erreicht, er fand aber statt der vermuteten 300 Gefangenen über
1300 vor, die er auf seinen Halbkettenfahrzeugen niemals hätte
abtransportieren können, außerdem mussten auf dem Rückmarsch zu den eigenen
Linien immerhin 65 km Luftlinie zurückgelegt werden
inzwischen hatte sich ein Panzervernichtungstrupp unter
Führung von Oberleutnant Niegner an die
Amerikaner herangearbeitet und ein US-Fahrzeug auf nächste Entfernung
vernichtet, ein weiterer US-Panzer wurde im Lager Hammelburg von anderen
Panzerfaustschützen abgeschossen, Captain Baum
drängte daher zum Abmarsch, gegen Mitternacht folgte er mit der Masse seines
Verbandes und den befreiten Gefangenen einer vorausgeschickten
Aufklärungsgruppe, an der Reichsstraße 27 bei Höllrich war inzwischen ein
weiterer "Sherman" abgeschossen worden, Captain
Baum klärte nun selbst mit zwei "Shermans" bis zu dem Ort
Heßdorf auf, dort wurde einer seiner beiden Panzer ebenfalls durch eine
Panzerfaust vernichtet, daraufhin kehrte er zu seiner Abteilung zurück, die
sich am sogenannten Reußenberger Hof westlich von Höllrich versammelt hatte,
er beschloß, hier bis zum Morgengrauen zu bleiben, von seinen ehemals 294 Mann
hatte er noch etwas mehr als 200 und von den 53 Fahrzeugen noch 3 "Sherman", 3
"Lee", 3 Artillerieselbstfahrlafetten, 22 Halbkettenfahrzeuge und einige
Jeeps, dazu die befreiten Gefangenen - soweit diese sich noch bei der
US-Abteilung befanden
Oberst Hoppe hatte inzwischen
ein ziemlich klares Bild der Lage, als ihm von den eigenen
Panzervernichtungstrupps gemeldet wurde, daß der US-Verband am Reußenberger
Hof einen Halt eingelegt hatte, war sein Kampfplan schnell gefasst, noch in
der Nacht zum 28. März setzte er den 80 Mann
starken Offiziersanwärter-Lehrgang in Richtung Heßdorf in Marsch und ließ ihn
hundert Meter vom Reußenberger Hof entfernt Stellung beziehen, womit ein
Ausweichen des Feindes nach Norden verhindert wurde, die Panzerjägerabteilung Köhl, sechs "Hetzer" waren noch
einsatzfähig, bezog am 28. März etwa tausend
Meter ostwärts des Reußenberges eine Stellung, südlich davon ging der etwa
hundert Mann umfassende Pionierlehrgang vor, und entlang der Straße
Hammelburg-Gemünden pirschte sich aus nördlicher Richtung der knapp achtzig
Mann zählende Scharfschützen-Lehrgang unter Führung des Obersten Messtmacher an den Feind, gefolgt von den beiden
Vierlings-Flaks und einer weiteren Infanteriekompanie, die westlich des
Reußenberges abriegelte, damit war die US-Task Force vollkommen eingeschlossen
von der Bildung des "Höllricher Kessels" hatten die
Amerikaner nur wenig bemerkt und sie bereiteten sich nun auf den Rückmarsch
vor, die nicht mehr benötigten Fahrzeuge wurden verbrannt, die Mehrzahl der
noch bei der Abteilung befindlichen befreiten Gefangenen hatte gegen fünf Uhr
morgens freiwillig den Rückmarsch in ihr Gefangenenlager angetreten
als Angriffsbeginn hatte Oberst Hoppe
den ersten Schuß der Panzerjägerabteilung des Hauptmanns
Köhl befohlen, gegen 8.10 Uhr war es soweit und der Schuß fiel, alle
anderen Kampfgruppen eröffneten daraufhin das Feuer, nur wenige Minuten lang
schossen die US-Panzer und die
M4A3
(SHERMAN) Sturmgeschütze zurück, dann waren
alle vernichtet
die US-Task Force war total zerschlagen, von 294 Mann
konnten sich lediglich sechs bis Mitte April zu
den nur 65 km entfernten amerikanischen Linien durchschlagen, alle anderen
waren gefallen, verwundet, in Gefangenschaft geraten oder blieben vermisst
sechs Wochen vor Kriegsende war ein kampfkräftiger
US-Panzerverband in kaum 48 Stunden vernichtet worden, ein hoher Preis für ein
Unternehmen, das eigentlich von Anfang an sinnlos gewesen war...