Sanitäts-Flugbereitschaft der Luftwaffe

Sanitäts-Flugbereitschaft

viele verwundete Soldaten, die den Zweiten Weltkrieg überlebt haben, können sich noch der "braven" Ju 52 mit dem roten Kreuz im weißen Kreisfeld erinnern, deren Einsatz sie ihr Leben verdanken, der Lufttransport von Verwundeten und Kranken war wohl die wichtigste Neuerung im Sanitätsdienst der Wehrmacht, die Möglichkeit, Verwundete auf dem Luftweg zu transportieren, war an sich nicht neu, doch wurde sie vor 1939 wenig beachtet, der erste Sanitätsinspekteur der Luftwaffe, Generaloberstabsarzt Professor Dr. Hippke, erkannte zuerst, daß der Sanitätsdienst der Luftwaffe beweglicher sein musste als der des Heeres, der erste Schritt war die Aufstellung der Luftwaffen-Sanitätsbereitschaften (mot.), der Chef der Medizinalabteilung der Luftwaffe erkannte dann, daß durch die rasche Überbrückung großer Entfernungen durch Sanitätsflugzeuge die hochentwickelten chirurgischen Arbeitsstätten im Heimatgebiet mit in die erste und endgültige Versorgung der Verwundeten einbezogen werden konnten, so kam es zur Aufstellung der ersten Sanitätsflugbereitschaften

die ersten Ju 52-3m, die für diesen Zweck eingesetzt wurden, erhielten einen weißen Anstrich mit roten Kreuzen auf Rumpfseitenwänden sowie Ober- und Unterseiten der Tragflächen, später begnügte man sich damit, auf dem normalen Tarnanstrich der für den Sanitätseinsatz vorgesehenen Ju 52 an den genannten Stellen einen weißen Kreis mit rotem Kreuz anzubringen, die Maschinen besaßen erst vier, später acht Spezialtragen, bequeme Sitze sowie Behälter, in denen Medikamente und Verbandsmaterial verstaut wurden, später waren alle Transportflugzeuge, die Nachschub in den Frontbereich flogen, grundsätzlich mit Krankentragen bzw. Befestigungsvorrichtungen für diese ausgerüstet, die Sanitäts-Flugbereitschaften wurden im zuständigen Luftgau gebildet und den Fliegerkorps unmittelbar unterstellt, so entstanden zehn Sanitäts-Flugbereitschaften

für den Einsatz im Ernstfall galten folgende Grundsätze: Vorbedingung war das Vorhandensein aufnahmefähiger Lazarette in der Nähe der Flugplätze, auf denen die Sanitäts-Ju-52 starten und landen konnten, der Korpsarzt musste engen Kontakt mit den zuständigen Ärzten der Heeresverbände halten, um Schwerpunkte für den Abtransport festzulegen, die Besatzungen der Maschinen waren nicht nur erfahrene Flieger, unter ihnen befanden sich auch in der Verwundetenhilfe geschulte und geübte Sanitätsdienstgrade, die auch unter schwierigsten Umständen alles Notwendige taten, um den Verwundeten zu helfen und ihre Schmerzen zu lindern, neben den Ju 52 waren auch andere Flugzeugmuster wie zum Beispiel der Fieseler "Storch" eingesetzt, wenn die Platzverhältnisse die Landung der Ju 52 oder anderer großer Transportflugzeuge nicht zuließen, nach dem Abfall Italiens fanden auch italienische Flugzeugmuster wie Saiman 202, SM 82 und das Schwimmerflugzeug Cant. Z 506 als Sanitätsmaschinen Verwendung

die Einsätze der Sanitätsflugzeuge hingen von verschiedenen Voraussetzungen ab, wichtig waren Kenntnis der Wetterlage, der Verhältnisse am Boden und der allgemeinen Luftlage, entscheidend wurde aber immer häufiger die Dringlichkeit, mit welcher der Einsatz der Sanitätsflugzeuge gefordert wurde, die Zusammenarbeit mit den Heeresverbänden war nicht immer einfach, da viele Heeresoffiziere keinerlei Verständnis für die Einsatzgrundsätze und Einsatzmöglichkeiten der Luftwaffe hatten

solange in dem Einsatzraum eine gewisse deutsche Luftüberlegenheit vorhanden war, ergaben sich für die Sanitätsflieger keine besonderen Probleme, das änderte sich aber bereits Anfang 1942, als von einer deutschen Luftherrschaft keine Rede mehr sein konnte, jetzt mussten die Flugzeuge einzeln auf Sichtweite oder nachts fliegen, Kursabweichungen, Luftschichten mit unsichtbaren Turbulenzen und häufiger Blindflug mussten dabei durchgestanden werden, Wolken am Himmel waren bei den Besatzungen nicht unbeliebt, da man sich bei Bedrohung in ihnen verstecken konnte, als die Versorgung des Kessels Demjansk die erste große Bewährungsprobe für Transport- und Sanitätsflieger brachte, waren Flüge in nur zehn Meter Höhe keine Seltenheit, bei Einsätzen über der Ostsee, dem Schwarzen Meer und im Mittelmeer waren Flughöhen von zwei bis drei Meter über dem Wasserspiegel keine Ausnahme, für den Zubringerdienst vom Truppenverbandsplatz zum Landeplatz der Ju 52 diente meist der Fieseler "Storch", der jeweils zwei Verwundete transportieren konnte

auf den Feldflugplätzen befand sich die sogenannte Verwundeten-Umschlagsstelle, hier wurden die Verwundeten von der Front, den Hauptverbandsplätzen und den Lazaretten des Bereichs zusammengezogen und dann von den Sanitäts- und Transportflugzeugen in die Heimat geflogen, man entwickelte eine Art Universaltransportgerät, die "Krankentrage 37", die in sämtliche Krankentransportmittel passte und die Rückführung der Verwundeten vom Truppenverbandsplatz mit Sanitätskraftwagen (Sanka) über das Flugzeug bis ins Heimatlazarett ohne Umbetten gestattete, auch weibliches Personal war übrigens beim Verwundetentransport eingesetzt

seit Beginn des Norwegenfeldzuges von 1940 zeigte sich, daß den Sanitäts-Flugbereitschaften in diesem Raum eine hohe Bedeutung zukam, als genauso notwendig erwiesen sie sich im gesamten Mittelmeergebiet, bei den deutschen Stützpunkten auf den vielen Inseln der Ägäis wurden auch Ju 52 auf Schwimmern als Sanitätsflugzeuge eingesetzt

die Männer der Sanitäts-Flugbereitschaften wirkten in stiller, rastloser Erfüllung der ihnen gestellten Aufgaben, nur die Verwundeten selbst wussten von ihrem Leben und ihrem Kampf, ihre Arbeit fand nie die ruhmvolle Anerkennung etwa in Form einer Siegesmeldung und trotzdem siegten sie durch ihren täglichen Einsatz über den Tod, der den ihnen anvertrauten Verwundeten drohte und dieser Einsatz fand oft, ab 1941 laufend, unter ständiger Bedrohung durch Feindflugzeuge und Flak-Artillerie statt, zwar flogen die Ju 52 ab 1941 mindestens mit einem MG 15 (7,9 mm) im B-Stand auf dem Rumpfrücken, später auch mit einem zweiten MG 15 in der Kanzel neben dem Flugzeugführer, wobei oft die Sanitätsdienstgrade als Bordschützen fungierten; aber was nutzte diese armselige Bewaffnung bei Angriffen feindlicher Jäger, die sich um das rote Kreuz auf den Flugzeugen nur selten kümmerten, so wurden zum Beispiel die beiden Ju 52 BJ+YC und BJ+YD der Sanitäts-Flugbereitschaft 8 im Verlauf der britischen Operation "Demon", der Räumung Griechenlands durch die britischen Truppen, von englischen Bristol "Beaufighter"-Zerstörern im Tiefflug angegriffen und durch Bordwaffenbeschuss so schwer beschädigt, daß sie zur Reparatur einige Tage nach Breslau mussten und für den Verwundetentransport ausfielen

dann kam im Mai 1941 das Unternehmen "Merkur", die Landung auf Kreta, die schweren Verluste der ersten Tage erforderten den vollen Einsatz der Sanitätsflieger, die Tag und Nacht zwischen Kreta und Athen-Phaleron unterwegs waren

im Juni wurde der größte Teil der Sanitäts-Flugbereitschaften nach Osten verlegt und lag nun auf Flugplätzen, die sich von Bulgarien bis nach Nordnorwegen und Finnland hinzogen, als am 22. Juni 1941 der Angriff auf die Sowjetunion begann, standen die Ju 52 und Fi 156 mit dem roten Kreuz überall bereit, die Sanitäts-Flugbereitschaft 8 erfuhr erst nach ihrem Eintreffen in Banak-Kirkenes - wohin sie nach Zwischenlandung in Drontheim-Bodö gelangt war -, daß der Krieg gegen die Sowjetunion begonnen hatte, sie wurde der XX. Gebirgsarmee zugeteilt, diese unterstand dem Armee-Oberkommando Norwegen (AOK), nachdem am 25. Juni Finnland der Sowjetunion den Krieg erklärt hatte, mit der Begründung, daß durch sowjetische Luftangriffe auf finnische Städte der Kriegszustand bereits eingetreten sei, fochten nun deutsche und finnische Truppen Seite an Seite, während im südlichen Abschnitt dieser Front ausschließlich finnische Truppen gegen die Sowjets kämpften, während des Vormarsches in der Sowjetunion hatten die Sanitätsflieger oft Schwierigkeiten, nachzukommen und am 7. Oktober 1941 fiel dann der erste Schnee

aber nicht nur im Osten, sondern auch in Nordafrika gab es genügend Arbeit für die Ju 52 mit dem roten Kreuz, im Januar begannen Rommels Truppen mit der Rückeroberung der Cyrenaika, die Fieseler "Störche" waren voll damit beschäftigt, die manchmal weit verstreut wartenden Verwundeten zu sammeln und zu den Landeplätzen der Ju 52 zu bringen, während dort glühende Hitze herrschte, stellte die eisige Kälte in der UdSSR die Sanitätsflieger manchmal vor unlösbare Probleme, aber immer wieder machten sie es möglich, die Verwundeten zu bergen, im hohen Norden und in Finnland versahen sie ihren Dienst verhältnismäßig ungestört

am 18. Januar 1942 kam es dann zur Einkesselung des II. und eines großen Teils des X. Armeekorps im Raum Demjansk, auch hier mussten die Sanitätsflieger in den Kessel und Hilfe leisten, obwohl Versorgungsflugzeuge auf dem Rückflug von Demjansk ebenfalls Verwundete mitnahmen. - am 28. Juni 1942 begann dann die deutsche Sommeroffensive an der Ostfront, in deren weiterem Verlauf Sanitätsflieger im Raum des Kaukasus und des Schwarzen Meeres ebenfalls Tag und Nacht unterwegs waren

im Winter 1942/43 bahnte sich dann die Katastrophe von Stalingrad an, nur in der Anfangsphase konnten noch Sanitätsmaschinen eingesetzt werden, wobei auch Großtransporter der Typen Ju90 und Ju290 auf den Rückflügen von Stalingrad bzw. Pitomnik Verwundete mitnahmen, während der Versorgungs- und Rettungsaktionen wurde die Ju 90 der Lufthansa D-AJHB "Thüringen« am 28. Dezember 1942 nach Stalino verlegt und am 13. Januar 1943 über Pitomnik abgeschossen

besonders tragisch war aber das Schicksal der Ju 290 V 1 BD+TX, sie landete unter Führung von Flugkapitän Hänig am 19. Januar 1943 in Pitomnik und nahm nach Ausladen der Versorgungsgüter Schwerverwundete auf Tragen an Bord, in der Eile, da der Platz unter Beschuss lag, waren die Tragen wahrscheinlich nicht richtig festgezurrt worden Als Hänig die Maschine ziemlich steil hochzog, rutschten diese nach hinten, die Maschine kippte über das Heck ab und zerschellte am Boden, es überlebte keiner

nach dem Ende der Tragödie von Stalingrad Anfang 1943 wurden die immer kleiner werdenden Sanitäts-Flugbereitschaften von einem Sondereinsatz zum anderen gehetzt, die Kämpfe der Reste der deutschen Truppen in Tunesien brachten neue Verluste, so wurde die Sanitäts-Ju 52 der Sanitäts-Flugbereitschaft 8 TE+DQ beim Überflug von Sizilien nach Tunis von englischen "Beaufighters" abgeschossen

wie viele Verwundete auf dem Luftweg geborgen worden sind, ist heute nicht mehr festzustellen, bis Ende 1943 waren nach vorliegenden Quellen über zwei Millionen Verwundete durch die Sanitäts-Flugbereitschaften und mit Transportflugzeugen der Luftwaffe gerettet worden, im April 1944 flogen Ju 52 der Sanitäts-Flugbereitschaft 8, die man für diesen Zweck der II. Gruppe des Transportgeschwaders 2 unterstellt hatte, im Zusammenhang mit der Räumung der Halbinsel Krim Sondereinsätze

der Endkampf in Kurland brachte schließlich die letzten Einsätze der Sanitätsflieger, 35 Ju 52 kamen aus Norwegen nach Grubin, um Verwundete zu bergen, 32 davon wurden von sowjetischen Jägern am Boden oder beim Start vernichtet, nur drei entkamen nach Deutschland

mehr Glück hatten die Männer der Sanitäts-Flugbereitschaft 8, drei Maschinen erhielten am 8. Mai einen Flugauftrag zum Einsatz nach Kurland, sie sollten in Drontheim oder Oslo Umpumpanlagen erhalten, mit denen der Treibstoff aus Benzinfässern in die Behälter des Flugzeugs gepumpt werden sollte, um die lange Strecke von Nordnorwegen nach Kurland zu bewältigen, ohne zwischenlanden zu müssen, doch dazu kam es nicht mehr, die Maschinen hatten schon seit Ende November 1944 in gutgetarnten Boxen gestanden, am 8. 5. 1945 flogen sie nach Oslo-Fornebu, die beiden Fi 156 der Sanitäts-Flugbereitschaft 8 blieben in Bodö, sie und die Ju 52 wurden dann von den Norwegern übernommen, das war das Ende der Sanitäts-Flugbereitschaften der Luftwaff